Spotlight: Frau Prof. Dr. Diana Pretzell, Sie sind Bürgermeisterin für das Dezernat V in Mannheim. Auf der Homepage liest sich das als ein sehr vielseitiges Dezernat. Wofür sind Sie im Dezernat V zuständig?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Das Dezernat V der Stadt Mannheim zeichnet sich durch eine sehr große Themen- und Aufgabenvielfalt aus. Unser Dezernat ist dabei zuständig für die Themen Klima, Umwelt- und Naturschutz, die Bürgerdienste, Migration und Einbürgerung, aber auch Themen, die den Menschen tagtäglich begegnen wie Tiefbau, Grünflächen, Stadtreinigung und Abfallwirtschaft, sowie die Stadtentwässerung und Friedhöfe. Der Local Green Deal (LGD) gehörte ebenfalls fachlich zum Dezernat – sodass wir durch den LGD als Pilotstadt in der Europäischen Union gemeinsam mit Bürgerschaft, Politik, Verwaltung, Wirtschaft und Forschung ein grünes, sauberes und gesundes Mannheim gestalten.
Spotlight: Wie kommt der (vielfältige) Aufgabenzuschnitt Ihres Dezernats zustande und wie lässt sich ein so vielfältiges Aufgabenbündel bewältigen?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Der Aufgabenzuschnitt des Dezernats macht die Arbeit speziell. Die Struktur mit den unterschiedlichen Fachbereichen, technischen Betrieben und städtischen Beteiligungen führt zu umfänglicher Vernetzung und einem regelmäßigen, übergreifenden Austausch zur Koordination der Aufgaben in Stand-Ups, Jour Fixes oder auch mal bei einem Spaziergang. Wir sind aber auch ein sehr bürgernahes Dezernat, da unsere Themen von der Geburt (Standesamt) bis zum Tod (Friedhöfe) reichen. Der Schwerpunkt liegt auf den dringenden Fragen der Bereiche Klima, Biodiversität, Hitze und Infrastruktur.
Spotlight: Wie wird man Bürgermeisterin für ein Dezernat? Welche Berufserfahrung bringen Sie mit? Und wie entstand die Entscheidung, für dieses Amt zu kandidieren?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Die Grünen nahmen aufgrund meines Profils und Hintergrunds für die Stelle direkten Kontakt mit mir auf. Da ich mir selbst ein politisches Amt vorstellen konnte und ich durch meine vorherigen Tätigkeiten beim WWF und Naturgarten Kaiserstuhl wusste, dass mir Bürgernähe und politisches Agieren Spaß machten, fiel die Entscheidung zur Kandidatur.
Spotlight: Was war die vielleicht wichtigste berufliche Vorerfahrung für Ihr vielfältiges Amt? Und welche Weiterbildungen werden einem dann auch im Amt geboten oder sind empfehlenswert?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Meine bisherigen Erfahrungen liegen mit Schwerpunkt auf den Bereichen Klima, Umwelt- und Naturschutz. Dabei hatte ich durch meine früheren Tätigkeiten bereits Leitungserfahrung und Mitarbeiterverantwortung, auch zu Querschnittsthemen und insbesondere zu politischer Arbeit. Zusammen mit meinen Kenntnissen der Projektarbeit und der Verwaltungserfahrung war dies eine entscheidende Grundlage, die aber stetig durch ein „Learning on the job“ ergänzt wird – sprich: Ich lerne jeden einzelnen Tag durch meine Ämter und die vielfältigen Themen etwas dazu!
Spotlight: In einer Stadt kann es bei der Besetzung von Bürgermeister-Positionen auf Dezernenten-Ebene Vorstellungen zur paritätischen Besetzung geben, oder bestimmte Fraktionen oder Partei-Zugehörigkeiten müssen bei der Besetzung berücksichtigt werden. Wie haben Sie den Prozess der Kandidatur erlebt? Welche Rolle spielten Vorgespräche, Allianzen und Unterstützer*innen für Sie? Und wie lief die Kandidatur ab?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: In meinem Fall hatten die Grünen als Partei die Möglichkeit, eine Person als Kandidat*in für das Amt vorzuschlagen. Dafür entstand eine Findungskommission aus Mitgliedern der Fraktion, Mitgliedern des Kreisvorstands und dem Grünen Dezernenten der Stadt, um eine gute Nachfolge für die Neubesetzung des Dezernats V zu finden. Dieses Komitee war also am wichtigsten. Danach galt es aber auch, die anderen Fraktionen in Einzelgesprächen zu überzeugen. Dies gelang mir und so wurde ich mit 39 von 45 abgegebenen Stimmen gewählt.
Spotlight: Haben Sie auf Ihrem Weg Unterstützung erfahren und welche Unterstützung war besonders wertvoll für Sie?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Die mit Sicherheit entscheidenden Unterstützer auf meinem Weg der Kandidatur und in mein neues Amt waren mein Mann sowie die Mannheimer Fraktion der Grünen. Auch die Bürgermeisterkollegen sowie die Verwaltung haben mich mit offenen Armen empfangen.
Spotlight: Mit welchen Herausforderungen oder Zweifeln hatten Sie auf Ihrem Weg und im Amt zu kämpfen? Wie gehen Sie damit um?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Eine der spannenden Herausforderungen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Diese stellte sich aber für mich als gut lösbar heraus, wenngleich durch das neue Amt natürlich eine 180 Grad Wende notwendig war. Zusätzliche Herausforderungen waren Faktoren, die mit dem Umzug und der Verlagerung des Lebensmittelpunktes zusammenhängen. So war Mannheim für mich eine neue Stadt, fehlende Netzwerke mussten erst aufgebaut werden.
Spotlight: Warum haben Sie sich für die Stadt Mannheim entschieden? Was gefällt Ihnen an Mannheim und wo sehen Sie besondere Herausforderungen?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Die Stadt Mannheim hatte viele Argumente, die für sie sprachen und sie als Stadt attraktiv machen. Multikulti und Vielfältigkeit bereichern das Stadtbild. Mannheim ist eine lebenswerte Stadt, gleichzeitig innovativ und ein florierender Wirtschaftsstandort. Trotz oder gerade auch dank all dieser Faktoren gibt es hier vielfältige Möglichkeiten für Umwelt- und Naturschutz, aber auch in den Bereichen der ökologischen Stadtentwicklung und der Verkehrswende. Durch die konsequente Verfolgung der Nachhaltigkeitsziele kann die Stadt Klimaneutralität erreichen und gleichzeitig spannende Großprojekte mit Nachhaltigkeitsbezug umsetzen, wie zuletzt die Bundesgartenschau 2023.
Spotlight: Die Stadt Mannheim war im Jahr 2023 Gastgeberin für die Bundesgartenschau. Hatte die Ausrichtung der Bundesgartenschau auch Auswirkungen auf Ihr Amt bzw. hatten Sie Einfluss auf die Ausrichtung der Bundesgartenschau, die sich inhaltlich sehr intensiv mit Fragen des Klimawandels auseinandergesetzt hat?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Durch die BUGA 2023 hatten wir die Möglichkeit, über den Eventcharakter der Gartenschau die Themen Klima, Umwelt- und Naturschutz sowie Nachhaltigkeit in den Fokus zu rücken. Dadurch konnten wir eine große Öffentlichkeit und über 2 Millionen Besucher*innen erreichen und gleichzeitig in Kontakt mit vielen Entscheidungsträger*innen auf Landes- und Bundesebene treten. Da die Bundesgartenschau als gGmbH eine städtische Beteiligung als Teil des Dezernats ist, gab es hier zahlreiche Aufgaben, Termine und Überschneidungspunkte, welche im Vorfeld, Verlauf und der Nachbereitung zur BUGA 2023 auftraten.
Heute können wir mit Stolz sagen, dass wir die nachhaltigste Bundesgartenschau aller Zeiten ausgerichtet haben, welche gleichzeitig als Katalysator ein Startpunkt für viele nachhaltige Themen und Projekte der Stadt war und ist.
Spotlight: Welche Ziele haben Sie in Ihrer Amtszeit? Was sind Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Zu den wichtigsten Zielen gehören mit Sicherheit der soziale Zusammenhalt in der Stadtgesellschaft, der Ausbau des Klima- und Umweltschutzes sowie die Umsetzung der Klimaneutralität in Mannheim. Zusätzlich wollen wir ein Bewusstsein der Bürger*innen für Umweltthemen schaffen und erweitern. Für die Mitarbeiter*innen liegt mir am Herzen, ein gutes Arbeitsklima zu schaffen, welches mit spannenden und passenden Aufgabengebieten überzeugt.
Im Detail haben wir für das Dezernat V die folgenden 10 Botschaften definiert:
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Wir erhalten einen gesunden und ökologisch wertvollen Stadtwald
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Wir sind Vorbild für den Einsatz innovativer Umwelttechnologie
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Wir bringen mehr Grün in die Stadt
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Wir leisten vollen Einsatz für weniger Müll in unserer Stadt
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Wir putzen Mannheim zu einer sauberen und attraktiven Stadt heraus
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Wir ebnen den Weg für die Fußgänger- und Fahrradstadt und eine emissionsarme Mobilität
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Wir schützen Wasser, Luft und Boden vor Schadstoffen
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Wir passen unsere Stadt an die Folgen des Klimawandels an
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Gemeinsam gestalten wir Mannheim klimaneutral
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Eine Vielfalt an Tieren und Pflanzen findet Platz in unserer Stadt
Spotlight: Seit Juli 2023 sind Sie auch Erste Bürgermeisterin in Mannheim und damit die Stellvertreterin des Oberbürgermeisters. Was bedeutet das für Ihren Arbeitsalltag und was hat sich seither verändert?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Als Erste Bürgermeisterin bin ich zuständig für die Vertretung des Oberbürgermeisters in gesamtstädtischen Terminen. Damit einher geht ein erweiterter Aufgaben- und Themenbereich, auch außerhalb des Dezernats V, der sich zum Beispiel in den Bereichen Demokratie, Sozialem Miteinander oder in internationalen Themen bewegt. Dies alles sind Themen, die mich bereichern.
Spotlight: Sie haben kurz nach Amtsantritt Ihr erstes Kind bekommen. Wie gelingt es Ihnen, Ihre zeitintensive Tätigkeit mit der Familie zu vereinbaren? Und was empfinden Sie als besonders herausfordernd? Wo würden Sie sich mehr „Familienfreundlichkeit“ in Ihrer Führungsposition wünschen?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Natürlich ist für die Vereinbarkeit ein hohes Maß an Planung und Flexibilität notwendig. Die Kita hilft hier ebenso, wie den Kleinen auch immer wieder zu Terminen mitzunehmen.
Ein Wunsch für noch mehr „Familienfreundlichkeit“ wären weniger Abendtermine. Denn häufig sehe ich meinen Kleinen erst nach 21 Uhr.
Spotlight: Was raten Sie Frauen und Männern, die sich für das Amt interessieren? Was sollte man für eine Kandidatur mitbringen?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Entscheidend ist ein großes Interesse und Verständnis der Belange der Bürger*innen und der Mitarbeitenden. Gleichzeitig sollte man Spaß daran haben, übergreifende Prozesse zu bearbeiten und sie auch politisch im Dialog mit allen demokratischen Kräften zu verständigen und seine Interessen zu platzieren und stringent umzusetzen.
Spotlight: Und zuletzt möchten wir noch gerne wissen: Worauf blicken Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit mit Stolz und Zufriedenheit?
Bürgermeisterin Prof. Dr. Pretzell: Zu den größten Highlights erfolgreicher Ergebnisse zählt die Auszeichnung als erste deutsche Stadt mit dem Mission-Label der Europäischen EU. Außerdem können wir stolz darauf sein, die einzige deutsche Stadt mit geringem Ausstoß beim CO2 zu sein. Auch die BUGA 23 als nachhaltiges Großprojekt möchte ich hier nochmals nennen.
Aber all dies ist nur möglich durch die erfolgreiche strategische Zusammenarbeit mit Zielsystem mit meinen engagierten etwa 2.000 Mitarbeiter*innen.
Das Interview mit Prof. Dr. Diana Pretzell führte Barbara Ogbone im Februar 2024.