Frau Bürgermeisterin Fischer, Was bedeutet Ihr Beruf für Sie? Was bedeutet es für Sie, Bürgermeisterin zu sein?
Bürgermeisterin zu sein, bedeutet für mich, Verantwortung übernehmen zu können für unsere Gesellschaft, da auch gestalten zu können und an der Position zu sein, wo man wirklich etwas verändern kann.
Was mich für meine Arbeit, mein Verständnis zu arbeiten sehr prägt, ist, dass ich Pfadfinderin bin, schon seit ich ein kleines Kind bin und da die Grundsätze gelten, die Welt ein bisschen besser zu verlassen, als man sie vorgefunden hat und auch Verantwortung für sich und für die Gesellschaft zu übernehmen.
Und was gehört alles zur Verantwortung der Bürgermeisterin in Trochtelfingen?
Trochtelfingen hat 6400 Einwohner, das heißt, wir sind eine vergleichsweise kleine Stadt. Wir haben ein Rathaus mit zirka 20 Mitarbeitern hier in der Verwaltung, und insgesamt noch mehr städtische Mitarbeiter. Da ist der Verantwortungsbereich für mich relativ groß. Ich habe Themen delegiert, aber gerade diese überregionalen Themen wie Breitband, Windenergieausbau, Öffentlichkeitsarbeit, Wirtschaftsförderung, das liegt dann alles bei mir.
Welche Erfahrungen aus Ihrer Ausbildung, aus Ihrer Arbeit zuvor sind besonders wertvoll für Ihre Arbeit als Bürgermeisterin?
Aus meiner beruflichen Vorerfahrung hilft mir die fachliche Expertise als Verwaltungsbeamtin, dass ich die Rechtsbereiche gut kenne und mich gut in diese Themen einarbeiten kann. Ich habe nach dem Abitur bei der Stadt Balingen angefangen und dort das Studium zur Diplom-Verwaltungswirtin begonnen, das heute der Bachelor of Public Management ist. Im Anschluss, um noch so ein bisschen Weitblick zu bekommen, habe ich einen Master für europäische Wirtschaft angehängt. Ich habe im kommunalen Bereich gearbeitet und dann 10 Jahre beim Landratsamt Reutlingen als Europabeauftragte. Auf die guten lokalen Netzwerke in die Kreisverwaltung und zu den umliegenden Kommunen kann ich auch in meiner jetzigen Arbeit aufbauen.
Was möchten Sie in Ihrer Amtszeit erreichen?
Meine Ziele haben sich ein bisschen verschoben, seit ich hier im Rathaus bin. Ich möchte, dass Trochtelfingen eine klimaneutrale Kommune wird. Ich will eine familienfreundliche Kommune gestalten, aber seit ich hier bin, habe ich gemerkt, dass wir uns dafür als Verwaltung auch gut aufstellen müssen. Ich möchte hier im Rathaus und für die ganze Verwaltung, auch die Erzieherinnen und Erzieher und die Mitarbeiter des Bauhofs, dass alle unter guten Rahmenbedingungen arbeiten können. Wir brauchen eine handlungsfähige Verwaltung.
Für mich ist für Trochtelfingen auch das Thema Inklusion sehr wichtig. Wir haben Inklusionskinder in den Schulen, und binden die Familien als Experten ein, um uns zu sagen, wie Inklusion hier vor Ort gelingen kann. Wir haben eine Wohngruppe mit Menschen mit Einschränkungen, die sehr aktiv sind und uns Rückmeldung geben, was wir tun können, um Trochtelfingen inklusiv zu gestalten.
Eines der großen Verwaltungsthemen ist Digitalisierung.
Wie geht es Ihnen damit?
Digitalisierung ist wichtig, ist Zukunft, und soll auch eine Entlastung sein für unsere kommunalen Aufgaben, und das merke ich an verschiedenen Stellen. Natürlich ist es eine Herausforderung, erst einmal das Internet in die Stadt zu bekommen, über den Glasfaserausbau. Das zweite ist dann zu sagen, ich habe hier vielleicht nicht genug Personal, aber wenn ich meine Dienstleistung online anbieten könnte, können die Bürgerinnen und Bürger das trotzdem einfach erledigen, ob das Rathaus jetzt offen hat oder nicht. Ich kann innere Prozesse digital viel einfacher gestalten. Eine zentrale Kindergartenanmeldung, die digitalisiert ist, ist zum Beispiel viel entspannter als dezentral alle Kindergärten abklappern zu müssen.
Was sind weitere lokale Herausforderungen hier in Trochtelfingen? Was sind die Themen, die Sie als Bürgermeisterin beschäftigen?
Eine lokale Herausforderung in Trochtelfingen ist wie bei allen Kommunen der Bildungsbereich, auf jeden Fall die Weiterentwicklung der Ganztagsbetreuung im Schulbereich. Die Gewerbeentwicklung ist für uns noch eine Herausforderung, einfach weil wir wenig bis keine Flächen dafür zur Verfügung haben.
Uns macht die Infrastruktur Sorgen. Wir sind eine Flächenkommune. Wir sind, obwohl wir so wenig Einwohner haben, die drittgrößte Flächenkommune im Landkreis Reutlingen und haben entsprechend Kilometer an Wasserleitungen, an Kanal, Abwasserkanal, an Straßen, Glasfaserausbau. Das ist unfassbar teuer, bindet auch viele Kapazitäten, ist aber wichtig und an diesen Stellschrauben merken die Leute, ob Staat funktioniert.
Eine besondere Herausforderung für Trochtelfingen ist unsere wunderschöne Fachwerk-Innenstadt und auch die kommunalen Gebäude. Wir haben ein wunderschönes Schloss, das seit letztem Jahr leer steht. Da war vorher die Grundschule drin. Die ist jetzt zur Gemeinschaftsschule gezogen und da wird es für uns eine große Herausforderung, was gestalten wir mit diesem Schloss. Was soll da rein, wie wird es ein lebendiger Ort für die Innenstadt? Das möchte ich zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern umsetzen.
Die schöne Altstadt, die schönen Fachwerkhäuser rund ums Rathaus sind wirklich auffallend. Welche Rolle spielt der Tourismus in Trochtelfingen?
Ja, Trochtelfingen hat eine tolle, charmante Fachwerk Altstadt hier im Innenort. Trochtelfingen liegt auf der Schwäbischen Alb super geschickt, weil wir über 150 Destinationen um uns herum haben, wo man einen Tagesausflug hin machen kann. Wir haben ein kleines Hotel und wir haben zwei Ferienwohnungen. Wir haben beim Thema Tourismus noch im positivsten Sinne Potenzial. Wenn ich das im Vergleich zu anderen Kommunen sehe, haben wir hier noch nicht so viel entwickelt. Ich hatte meinen ersten Sommer in Trochtelfingen. Da war hier relativ tote Hose. Wir haben viele eigentümergeführte Geschäfte. Die Eigentümer müssen irgendwann auch Urlaub machen. Es waren viele Geschäfte gleichzeitig zu. Wir hatten aber ganz viele Radtouristen, die hier durchgefahren sind und dann schauen mussten, wo kann ich Mittagspause machen, wo kann ich mich aufhalten.
Ausser den Radtouristen, gibt es auch vermehrt Interesse an Urlaub mit dem Wohnmobil und Urlaub in der eigenen Heimat. Da wollen wir schauen, wie wir das nachhaltig und gut entwickeln und gestalten.
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Wo fängt man da an!? Wer unterstützt?
Die Anfangszeit als Bürgermeisterin ist schon eine kleine Herausforderung, auch für mich, die ich in der Verwaltung groß geworden bin. Man braucht Nerven wie breite Nudeln. Du bist plötzlich in einer herausstechenden Rolle. Du wirst sehr genau beobachtet bei dem, was du tust. Aber du bist viel weniger allein als du denkst. Ich komme von außen nach Trochtelfingen. Ich habe hier ganz viele Menschen gefunden, die mir helfen, Fragen zu beantworten, Hintergründe kennenzulernen, die mich unterstützen, die Aufgaben umzusetzen. Wir haben im Umfeld mit den anderen Kommunen im Kreis Reutlingen tolle Kolleginnen und Kollegen, die alle bereit sind, Fragen zu beantworten und zu unterstützen.
Auch bei den Geburtstagsbesuchen bei Trochtelfinger Senioren erfahre ich sehr viel über Trochtelfingen, wie es früher war, was schon in der Vergangenheit versucht wurde und was auch heute noch wichtig ist.
Und nicht zuletzt unterstützt die Familie, die einem immer wieder den Rücken stärkt.
Sie sprechen die Familie an. Wie klappt es mit der Work-Life Balance als Bürgermeisterin?
Der Beruf der Bürgermeisterin ist auch heute noch kein Teilzeitjob und ich habe vier Kinder – oder mein Mann und ich haben zusammen vier Kinder im Alter zwischen 13 und 7 Jahren. Die Kinder sind aus dem Gröbsten raus, aber noch nicht kurz vor dem Abitur oder schon in die Welt entflüchtet. Es ist eine Herausforderung, Familie und Beruf zu vereinbaren.
Auf der anderen Seite habe ich auch Gestaltungsmöglichkeiten, wie ich meinen Kalender einteile. Man hat als Bürgermeisterin viel mehr Abend- und Wochenendtermine. Das gehört zu dem Beruf dazu. Man muss bei den Leuten sein wollen. Aber andersherum kann man sich auch wieder Zeitfenster schaffen, die für die Familie reserviert sind, die aber vielleicht an anderen Tageszeiten liegen.
Was ist Ihre Motivation, diese sehr fordernde Aufgabe auf sich zu nehmen? Warum sind Sie Bürgermeisterin geworden?
Warum bin ich Bürgermeisterin geworden? Ich habe es für mich so ein bisschen zusammengefasst. Es gibt ein Zitat von dem Ex-Präsidenten Theodore Roosevelt, „Tu was du kannst, mit dem, was du hast, dort wo du bist.“ Und das kann ich als Bürgermeisterin tun.
Haben Sie einen Tipp für andere Frauen, die sich für das Amt der Bürgermeisterin interessieren?
Mein Tipp an Frauen, die kandidieren möchten: suchen Sie für Ihr Unterstützerteam Personen, die Ihnen guttun und mit denen Sie vertrauensvoll zusammenarbeiten können. Das ist eine wichtige Basis, damit man gestärkt in so einen Wahlkampf starten kann.
Mir ist es wichtig, dass mehr Frauen für das Amt kandidieren, weil wir ein wichtiger Teil dieser Gesellschaft sind und wir genauso unsere Kompetenzen und unsere Erfahrungen einbringen können. Grundsätzlich würde ich aber sagen, es ist einfach wichtig, dass gute und engagierte und leidenschaftliche Menschen diesen Beruf ausfüllen.
Aus Ihrer Erfahrung aus dem ersten Jahr als Bürgermeisterin, was soll man können, wenn man Bürgermeisterin oder Bürgermeister werden möchte? Welche Erfahrungen, Kenntnisse, welches Fachwissen sind vorteilhaft?
Um Bürgermeisterin zu sein, ist es vorteilhaft, wenn man eine fachliche Vorbildung hat. Also in Baden-Württemberg haben oft Kandidaten den Vorteil, die in der Verwaltungslaufbahn die Ausbildung gemacht haben. Ich würde es aber nicht als zwingend erachten, weil viel, viel mehr müssen wir Kommunikatoren sein. Wir müssen Führung vorleben und machen. Wir müssen gut organisieren können, strukturiert sein und vor allem muss man sich einfach ganz schnell in viele neue Themen einfuchsen können und wollen und darauf auch Lust haben.
Das Gespräch führte Sybille Fleischmann im März 2024 mit Bürgermeisterin Katja Fischer. Das Interview wurde zur einfacheren Lesbarkeit gekürzt und bearbeitet.