Ortsvorsteherin im Nordschwarzwald
Helena Österle und Jacqueline Jakob sind beide hauptamtlich Ortsvorsteherin bei der Stadt Calw – jede verantwortlich für jeweils zwei unterschiedliche Teilorte der Großen Kreisstadt. Dazu teilen sie sich zu je 50% die Leitung des Liegenschaftsamtes der Stadtverwaltung Calw. Damit vertreten die beiden ein besonderes Konstrukt.
Jacqueline Jakob
Ortsvorsteherin in Calw-Hirsau und Calw-Altburg
Ich bin Jacqueline Jakob, 29 Jahre jung, ledig, hier in Calw geboren und in Hirsau aufgewachsen. Zum Zeitpunkt meiner Wahl als Ortsvorsteherin im Mai 2021 habe ich in der Nähe, in Althengstett, gewohnt. Im Dezember 2021 bin ich dann nach Hirsau gezogen. In meiner Freizeit bin ich gerne sportlich aktiv und arbeite auf mein nächstes großes Ziel, einen Halbmarathon hin. Ich schätze die gemeinsame Zeit mit Familie und Freunden und bin unter anderem Mitglied bei den jungen Landfrauen, dem Beamtenbund, dem Musikverein und seit März 2023 bei der CDU. Die Kommunalpolitik liegt mir sehr am Herzen – sie wird zurecht auch als „Schule der Demokratie“ bezeichnet.
Ich bin hauptamtliche Ortsvorsteherin von zwei Teilorten von Calw – Altburg und Hirsau. Jeweils zu 25%. Und zu 50% leite ich die Abteilung Liegenschaften, gemeinsam mit meiner Kollegin Helena Österle.
Spotlight: Frau Jakob, was macht Ihnen besonders viel Freude am Amt der Ortsvorsteherin?
Ich finde es besonders schön, dass das Amt so abwechslungsreich ist. Kein Tag gleicht dem anderen und ich habe mit der großen Bandbreite aller kommunalen Themen Berührungspunkte. Ganz besonders liebe ich den direkten Kontakt mit den Bürgerinnen und Bürgern. Das Schöne ist auch: Ich sehe die Erfolge direkt vor Ort und kann mich für die eigene Heimat einsetzen.
Spotlight: Was genau sind Ihre Aufgaben als Ortsvorsteherin?
Zur Arbeit als Ortsvorsteherin gehören repräsentative Aufgaben und die Vertretung der Ortsteile nach außen. Zudem vertrete ich den Oberbürgermeister beim Vollzug der Beschlüsse des Ortschaftsrats und bei der Leitung der örtlichen Verwaltung. Ich leite die Ortsverwaltungen der beiden Teilorte und bin Vorsitzende des Ortschaftsrates, lade zu den Räten ein und leite die Sitzungen. Ich erstatte auch dem Calw-Journal Bericht und trage somit die Arbeit des Ortschaftsrates in die Öffentlichkeit. Am Gemeinderat kann ich beratend teilnehmen.
Eine der schönsten Aufgaben ist, dass ich als Standesbeamtin auch Eheschließungen übernehmen darf.
Als hauptamtliche Ortsvorsteherin habe ich kein Stimmrecht im Ortschaftsrat – anders als ehrenamtliche Ortsvorsteher*innen. Diese werden aus dem Ortschaftsrat gewählt und haben selbst einen Sitz und Stimmrecht im Gremium. Das kann helfen, um bei Themen durch die eigene Stimme Orientierung zu geben.
Dadurch, dass ich in der Stadtverwaltung angestellt, also auch Mitarbeiterin der Hauptverwaltung bin, ergeben sich eine enge Vernetzung mit den anderen Fachbereichen und große Synergieeffekte. In unserem besonderen Konstrukt, mit der Leitung der Abteilung Liegenschaften, gilt das noch mal verstärkt – zum Beispiel bei Baugebietsentwicklungen. Da bin ich dann sowohl als Ortsvorsteherin, aber auch in der Funktion als Abteilungsleiterin unterwegs und bekomme die Verhandlungen mit. Das hat viele Vorteile.
Spotlight: Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus mit dieser Doppelrolle als Ortsvorsteherin von zwei Teilorten und Leiterin des Liegenschaftsamtes?
Ich habe praktisch vier Arbeitsplätze – einen Arbeitsplatz in Altburg, einen in Hirsau, einen in Calw und wenn ich Homeoffice mache, dann noch diesen. Ich befinde mich aber sehr selten im Homeoffice, einfach aufgrund der vielen Außentermine und da ich hier vor Ort wohne. Da macht es für mich keinen großen Unterschied. Für die verschiedenen Arbeitsorte habe ich feste Tage. Am Donnerstag bin ich in Hirsau, am Freitag in Altburg und in der Regel Montag bis Mittwoch in Calw.
Spotlight: Leben und Arbeiten am selben Ort, in einer sehr öffentlichkeitswirksamen Position – wie funktioniert das für Sie?
Bei mir gibt es keine Work-Life-Balance, sondern tatsächlich richtiges Work-Life-Blending, denn das ist ein fließender Übergang zwischen privat und geschäftlich. Die Arbeit geht weit über die 41-Stunden-Woche hinaus. Ich habe viele Abend- und Wochenendtermine. Ich kenne natürlich auch sehr viele Bürgerinnen und Bürger vor Ort persönlich. Wenn ich einkaufen gehe, werde ich oft angesprochen oder wenn ich auf dem Markt bin und bei sämtlichen Veranstaltungen. Aber das finde ich auch richtig schön, sich direkt am Ort einsetzen zu können. Das hat auch Vorteile. Klar gibt es auch Nachteile. Man muss schauen, dass man sich ab und zu rausnimmt und für sich einen Ausgleich schafft.
Spotlight: Warum haben Sie sich für Calw (-Teilorte) entschieden?
Calw versprüht einen ganz besonderen Charme als Fachwerk- und Hermann-Hesse-Stadt. Altburg und Hirsau waren schon immer „meine“ Ortsteile in Calw. Sie haben einen hohen Freizeitwert und interessante, vielfältige und traditionsgeprägte Vereinsstrukturen. Es gibt viele zukunftsorientierte Projekte und die kulturelle Vielfalt bietet einen sehr interessanten kommunalpolitischen Gestaltungsspielraum. Seit meiner Ausbildung wollte ich Ortsvorsteherin in Altburg und Hirsau werden aber hätte nicht gedacht, dass sich so schnell eine Stelle ergibt.
Spotlight: Welche Berufserfahrungen und Vorbildung brachten Sie mit?
Nach meiner schulischen Bildung habe ich zunächst die Ausbildung als Verwaltungsfachangestellte bei der Stadt Calw absolviert. Nachdem ich im Bereich des Ordnungsamtes bei der Stadt Calw und im Bereich des Einwohnerwesens bei der Stadt Sindelfingen Berufserfahrung sammeln durfte, entschied ich mich für das Studium Public Management an der Hochschule für öffentliche Verwaltung in Kehl. Ich habe den Themenbereich Kommunalpolitik und Führung vertieft. Auch meine Bachelorarbeit habe ich zu einem partizipativen kommunalpolitischen Thema geschrieben: Kommunale Jugendpartizipation – Erfolgsfaktoren und Herausforderungen am Beispiel der Stadt Calw.
Nach dem Studium war ich als Sachbearbeiterin im Einwohnerwesen der Stadt Sindelfingen tätig und habe ab Beginn der Coronapandemie den Krisenstab geleitet. 2021 kam ich dann wieder zur Stadt Calw
Spotlight: Welche Unterstützung haben Sie erfahren und hatten Sie Vorbilder?
Mein Vorbild war Herr Hilsenbeck, der damalige Ortsvorsteher von Altburg und Hirsau, schon während der Ausbildung. Er hat bei mir den ersten Impuls gesetzt und mich in etliche Sitzungen, zu Notarterminen und Außenterminen mitgenommen. Und natürlich das Studium, die Professorinnen und Professoren, die mich dort unterstützt haben und während meiner Bachelorarbeit auch der Kontakt mit dem damaligen Bürgermeister, Herrn Eggert oder mit seinem persönlichen Referenten. Das war sehr hilfreich. Und sonst natürlich: Familie und Freunde müssen auch hinter einem stehen. Sie sind große Unterstützer und gute Wegbegleiter.
Spotlight: Welche Herausforderungen gibt es als Ortsvorsteherin in der Zusammenarbeit mit der Gesamt-Stadtverwaltung?
Die Zusammenarbeit läuft in der Regel sehr gut. Wir stimmen uns regelmäßig ab. Wir haben einen sehr großen Gestaltungsspielraum, der natürlich in gewissem Maße begrenzt wird durch die finanziellen Ressourcen.
Eine der Herausforderungen, für die wir Ortsvorsteherinnen immer kämpfen, sind Rückmeldungen zu Anfragen, die wir im Rahmen der Ortschaftsratssitzungen bekommen. Diese werden an die Fachabteilungen der Stadtverwaltung gerichtet. Oft bekommen wir dann keine oder nur sehr späte Rückmeldungen. Dazu wurde jetzt neu ein Aufgabentracking eingeführt – mit Eskalationsstufen – also was passiert, wenn wir keine Rückmeldungen bekommen. Dann soll die Anfrage künftig weitergeleitet werden an den nächsten Vorgesetzten bis hin zum Oberbürgermeister. Das ist wichtig für die Motivation im Gremium, denn man beschäftigt sich im Ortschaftsrat mit Themen und braucht die Rückmeldungen, um weiterzukommen.
Spotlight: Wie können sich Frauen in der Verwaltung und in Führungspositionen gegenseitig unterstützen? Wie funktioniert das bei Ihnen, mit der Doppelspitze in der Leitung der Abteilung Liegenschaften?
Wir haben uns, bevor sich Helena beworben hatte, hier getroffen und wirklich offen über Vor- und Nachteile der Arbeit gesprochen, beispielsweise, dass viele Wochenendtermine und Abendtermine anfallen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Was umfasst das Aufgabengebiet? Diesen Austausch fand ich sehr gut. Helena bringt von Nagold viel Fachwissen und Berufserfahrung mit. Davon profitiere ich sehr. Ich wiederum kann meine gute Ortskenntnis einbringen, da ich hier aufgewachsen bin und die Verwaltung schon lange kenne. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team.
Spotlight: Worauf blicken Sie in Ihrer bisherigen Arbeit als Ortsvorsteherin mit Stolz und Zufriedenheit? Und können Sie sich auch den Sprung in ein Bürgermeisteramt vorstellen?
Ich freue mich, dass ich standesamtliche Trauungen unter freiem Himmel im sehr schönen Kloster Hirsau ermöglichen konnte. Die Märkte wie den Weihnachtsmarkt in Hirsau und den Frühjahrsmarkt in Altburg konnten wir positiv weiterentwickeln und haben Besucherrekorde verzeichnet. Die Wohnbau- und Gewerbeentwicklungen gehen gut voran. Das Thema Kinder- und Jugendbeteiligung liegt mir sehr am Herzen und ich habe mich bemüht, hier schon von Kindergarten und Grundschule an, die Kinder und Jugendlichen immer wieder einzubeziehen. Der Hirsauer Klostersommer ist ein großes Highlight und ich bin stolz, hier Ansprechpartnerin sein zu dürfen. Ebenso läuft gerade der Antrag, das Kloster Hirsau als UNESCO Weltkulturerbe anzuerkennen. Und durch den Erhalt von Infrastruktur, z.B. auch den rollenden Supermarkt, konnten wir das Ortsleben lebendig halten.
Bei der Bandbreite der Themen ist zu sehen: eine Ortsvorsteherin ist praktisch schon eine „kleine Bürgermeisterin“ für die Stadtteile. Man übernimmt alle Aufgaben, die auch ein*e Bürgermeister*in übernimmt. Ich kann mir perspektivisch sehr gut eine Kandidatur als Bürgermeisterin vorstellen. Eine passende Kommune ist mir wichtig, so um die 10.000 Einwohner. Ich bin gespannt, was noch kommt.
Das Interview mit Jacqueline Jakob führte Barbara Ogbone im März 2024. Zur besseren Verständlichkeit wurde das Interview gekürzt und redigiert.