Spotlight: Frau Mann, Sie sind Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Soziales – ein breites Aufgabenfeld. Was genau gehört zu Ihren Aufgaben und zu Ihrem Amt an Themengebieten dazu? Wir freuen uns auf einen Einblick in Ihr Aufgabenfeld.
Bürgermeisterin Mann: Zu meinen Aufgaben gehört die konzeptionelle, inhaltliche sowie finanzielle Steuerung aller Bereiche der genannten Themenfelder – von den Kitas über Familien- und Jugendhilfe, Versorgung und Integration von Geflüchteten bis zu existenzsichernden Leistungen und Unterstützung für ältere Menschen, Menschen mit Behinderung sowie Kund*innen im Jobcenter. Dazu kommt noch der komplette Kulturbereich mit Theater, Ausstellungshäusern, Musikschule, Bibliotheken, Archiv, Kulturförderung, kultureller Bildung und Veranstaltungsmanagement. Diese Aufgaben bewältigen wir in Zusammenarbeit mit den Mitarbeitenden der Verwaltung, den Bürgermeisterkollegen sowie dem Gemeinderat. Das bedeutet: viele vorbereitende Gespräche, um die inhaltlichen Aspekte weiterzuentwickeln, Verhandlungen mit anderen kommunalen Abteilungen und externen Kooperationspartner*innen sowie Abstimmung und Dialog mit den politischen Entscheidungsträger*innen. Ein ebenso wichtiger Part ist die Vertretung all dieser Themen in der Öffentlichkeit, gegenüber der Bürgerschaft und vielen Kooperationspartner*innen, aber auch überregional sowie die Übernahme von Grußworten zu zahlreichen Anlässen.
Spotlight: Wie wird man Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Soziales? Welche Berufserfahrung bringen Sie mit und wie wächst man in die Aufgaben hinein?
Bürgermeisterin Mann: Formal wird man als Fachbürgermeisterin vom Gemeinderat gewählt, für eine Amtszeit von 8 Jahren. Ich persönlich habe Kultur- und Politikwissenschaft studiert und in frühen Jahren im Kultur- und Sozialbereich „geschnuppert“. Dann habe ich mich beruflich für Kultur- und Erwachsenenbildung entschieden. Ich habe das Kulturamt und die Volkshochschule einer kleineren Stadt geleitet und als Geschäftsführerin einer großen Landesakademie gearbeitet, bevor ich in Ulm die Leitung der Kulturabteilung übernahm. Von dort wurde ich zur Bürgermeisterin gewählt – das heißt, ich hatte den Vorteil, dass ich den Kulturbereich der Stadt bereits sehr gut kannte. Ich habe mich mit viel eigener Recherche, aber vor allem auch mithilfe der Unterstützung der Führungskräfte und meines engeren Teams rasch in die weiteren Themenfelder eingearbeitet.
Als Bürgermeisterin geht es ja eher darum, den Überblick zu behalten. Man muss ein Gefühl entwickeln, wie die Dinge laufen (sollten). Es ist wichtig, gesellschaftliche Entwicklungen im Blick zu behalten und proaktiv damit umzugehen. Und es gilt, die entsprechenden administrativen und politischen Prozesse zu steuern. Für die konkrete Umsetzung im Detail sind die Kolleg*innen der Fachabteilungen zuständig, da braucht man nicht „die bessere Sachbearbeiterin“ sein zu wollen.
Spotlight: In einer Stadt kann es bei der Besetzung von Bürgermeister-Positionen auf Dezernentenebene Vorstellungen zur paritätischen Besetzung geben, oder bestimmte Fraktionen oder Partei-Zugehörigkeiten müssen bei der Besetzung berücksichtigt werden. Wie haben Sie den Prozess der Kandidatur erlebt? Welche Rolle spielten Vorgespräche, Allianzen und Unterstützer*innen für Sie? Und wie lief die Kandidatur ab?
Bürgermeisterin Mann: In Ulm spielt Parteipolitik bei der Besetzung der Dezernentenstellen quasi keine Rolle – was für mich als parteilose Kandidatin von großem Vorteil war. Vorgespräche sind enorm wichtig, um überhaupt einschätzen zu können, wie die eigenen Chancen stehen.
Mein persönlicher Weg ist allerdings eher ungewöhnlich: ich wurde von einer (Mehrheits-)Allianz aus verschiedenen Fraktionen des Gemeinderats angesprochen und gebeten, mich zu bewerben – und trotzdem bleibt eine Wahl natürlich eine Wahl und aufregend bis zum Schluss, zumal es ein sehr kompetentes Bewerberfeld, inklusive der damaligen Amtsinhaberin gab.
Spotlight: Warum haben Sie sich für die Stadt Ulm entschieden? Was gefällt Ihnen an Ulm und wo sehen Sie besondere Herausforderungen?
Bürgermeisterin Mann: Mir gefällt die Größe der Stadt – mit rund 130.000 Einwohnern und großem Einzugsgebiet eine Großstadt, aber nach wie vor sehr überschaubar und kein bisschen anonym. Und mir gefällt die Mischung aus viel Industrie, Forschung, Universität und Hochschulen, die für eine Vielfalt an Menschen und Themen sorgt.
Diese finde ich sehr inspirierend. Da ich vor meiner Kandidatur bereits fünf Jahre in einer Führungsposition hier gearbeitet habe, wusste ich, dass ich ein Gefühl für die Stadt und das, was die Menschen hier brauchen, habe. Auch das ist nicht selbstverständlich. Ich würde dieses Amt auch in keiner anderen Stadt übernehmen wollen (immer mal wieder wird man ja angefragt). Denn mir geht es nicht um das Amt an sich, sondern um die Lebensrealität speziell hier in Ulm.
Spotlight: Haben Sie auf Ihrem Weg ins Amt Unterstützung erfahren und welche Unterstützung war besonders wertvoll für Sie?
Bürgermeisterin Mann: Die Unterstützung der politischen Akteure des Gemeinderats sowie aus dem privaten Umfeld hat mir gerade in der unsicheren Zeit der Kandidatur sehr geholfen.
Spotlight: Welche Ziele haben Sie in Ihrer Amtszeit? Was sind Themen, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Bürgermeisterin Mann: Knapp auf den Punkt gebracht: der gesellschaftliche Zusammenhalt, mehr Chancengerechtigkeit – auch im Bildungssystem und kulturelle Vielfalt. Ich möchte das Leben für die Menschen in der Stadt jeden Tag ein kleines bisschen besser machen. Im Detail ist das eine Vielfalt von konkreten Themen.
Spotlight: Als Bürgermeisterin für Kultur, Bildung und Soziales sind Sie für einen Bereich zuständig, der einen hohen Bedarf an Fachkräften hat und stark unter Fachkräftemangel leidet. Wie geht es Ihnen mit dem Thema Fachkräftemangel in Ulm und wie können Sie diesbezüglich positiv wirken?
Bürgermeisterin Mann: Das Thema begleitet mich bereits seit Amtsantritt und wird natürlich immer virulenter. Wir entwickeln regelmäßig in den Fachabteilungen auf bestimmte Zielgruppen zugeschnittene Ideen zur Gewinnung, aber noch wichtiger zur Bindung von Fachkräften. Für diese Ideen versuchen wir mit Unterstützung der Personalabteilung politischen Rückenwind zur Umsetzung zu bekommen. Die Krux ist der Arbeitsmarkt. Die Bedürfnisse der Arbeitnehmer*innen ändern sich rasch, auch durch den Wettbewerb. Da sind wir mit unseren Strukturen oft nicht ganz vorne mit dabei. Und wir integrieren mehr „Quereinsteiger*innen“. Das bedeutet zwar erhöhte Einarbeitungszeiten, bringt aber auch mehr unterschiedliche Kompetenzen in die Teams.
Spotlight: Wie gelingt es Ihnen, bei Ihrer zeitintensiven Tätigkeit eine gute „Work-Life-Balance“ zu finden? Was empfinden Sie diesbezüglich als besonders herausfordernd? Und wo würden Sie sich mehr „Familienfreundlichkeit“ in Ihrer Führungsposition wünschen?
Bürgermeisterin Mann: Das Thema bleibt eine Dauer-Herausforderung. Es gäbe immer noch sehr viel zu tun – insbesondere in einer Zeit, in der eine Krise auf die andere folgt. Die größte Herausforderung für mich ist, die Erwartungen anderer an einen selbst sowie den eigenen (hohen) Anspruch an die Arbeit immer wieder so zu relativieren, dass noch Zeit für das „Life“ bleibt. Und diese Zeit dann tatsächlich, zumindest zum Teil, auch zur Erholung zu nutzen und nicht zu Hause direkt mit einer anderen Form von Arbeit weiter zu machen.
Wünschen würde ich mir, dass das Umfeld anerkennt, dass auch politische Mandatsträger*innen „nur“ Menschen sind. Auch ein Kindergeburtstagstermin sollte dieselbe Akzeptanz haben wie eine Gremiensitzung.
Spotlight: Was raten Sie Frauen und Männern, die sich für das Amt interessieren? Was sollte man für eine Kandidatur mitbringen?
Bürgermeisterin Mann: In jedem Fall ist es sinnvoll, sich mit dem Ressortzuschnitt zu beschäftigen und zu überlegen, ob die Themen einen interessieren. Man sollte öffentliche Gemeinderatssitzungen, Bürgerversammlungen oder sonstige Anlässe besuchen, bei denen ein*e Bürgermeister*in einen Beitrag hat, um ein Gefühl zu bekommen, ob einem das Freude machen würde. Hilfreich ist auch zu überlegen, aus welcher Motivation heraus man das machen möchte. Das kann bei der Entscheidungsfindung zur Kandidatur sehr hilfreich sein und einem später auch mal über eine besonders herausfordernde Zeit hinweghelfen.
Mitbringen sollte man aus meiner Sicht auf jeden Fall Freude (und Kompetenz) an Kommunikation und der Begegnung mit den unterschiedlichsten Menschen. Wichtig sind Gestaltungswillen und Kompromissfähigkeit sowie (gesellschafts-)politisches Gespür, Neugierde und Interesse für immer neue Themen. Man braucht Struktur und Klarheit in der Kommunikation, bei Entscheidungen und im Führungsverhalten sowie Empathie.
Spotlight: Und zuletzt möchten wir gerne noch wissen: Worauf blicken Sie in Ihrer bisherigen Amtszeit mit Stolz und Zufriedenheit?
Ich bin stolz darauf, dass ich zusammen mit meinen Teams und dem Gemeinderat sehr viel bewegen konnte. Dazu zählt insbesondere:
– viele neue Kindertagesstätten, Schulsanierungen und Erweiterungen
– Aufbau von qualitativ guten Ganztagsangeboten in Kita und Schule
– Kulturentwicklungsplanung und gezielter Ausbau der kulturellen Infrastruktur
– Aufbau einer am Bedarf der Menschen orientierten Verwaltungsstruktur im Themenfeld Jugendhilfe und Soziales
– in großen Teilen gelungene Integrationsarbeit mit vielen zugewanderten Menschen
– innovative Umsetzung der gesetzlichen Möglichkeiten für Menschen mit Behinderung
– Stärkung der politischen Beteiligung junger Menschen
– bessere Durchlässigkeit der Bildungsinstitutionen
– Öffnung der Kultureinrichtungen zu breiterer Partizipation
– Stärkung der kulturellen Bildung.
Das Interview mit Iris Mann führte Barbara Ogbone im Januar 2024.